Samstag, 6. Juli 2013

Durch das Tal der Tränen – Rotwein beim Discounter: Lidl

Der Löwenanteil an Wein wird in Deutschland nicht direkt vom Winzer, beim Fachhandel oder im Internet gekauft, sondern beim Discounter oder im Supermarkt. Für viele Leute, die Gründe sind da sicher vielfältig, ist eine Flasche Wein ein Getränk wie jedes andere, und sollte deshalb nach Möglichkeit auch nicht mehr als eine Flasche Cola, Limonade oder sonstwas kosten. Für uns und wahrscheinlich auch das Gros der Stammerleserschaft macht es keinen großen Unterschied, ob ein Wein ein paar Euro teurer ist – für den Großteil der Weintrinker aber bedeutet der Schritt von 2,50 auf 5,00 EUR schon eine Verteuerung um 100% – und den wollen viele einfach nicht tun.

Ich will das hier – zumindest an dieser Stelle :-) – gar nicht verurteilen  – die kompromisslosen Sparfüchse sind auch nur die andere Seite der gleichen Medaille, auf der sich dann die genauso kompromisslosen Etikettentrinker bewegen, die ähnlich ungerührt für eine Flasche Petrus 3 große Scheine auf den Tisch des Herrn legen. Das Phänomen ist das gleiche – der Wein wird primär über den Preis bewertet und selektiert.
Die Fragestellung war also – kann man sich diese Abfüllungen als ambitionierter Weintrinker zumuten und wie ist der Qualitätslevel insgesamt?
Davor möchte ich aber noch eine rein wirtschaftliche Betrachtung stellen: Was bleibt an einer solchen Flasche Wein noch für den Abfüller übrig?
Nehmen wir als Beispiel eine Flasche Bordeaux für 2,29 EUR:
19% gehen an den Staat, bleiben noch 1,92 EUR übrig.
Davon gehen noch ab 0,15 EUR für den PE-Flaschenkorken, 0,35 EUR für die Flasche, 0,04 EUR für die Kapsel und ca. 0,10 EUR für das Etikett.
Bleiben noch 1,28 EUR übrig.  Davon geht jetzt noch die Marge für den Discounter ab, die Umverpackung, Transportkosten, Marketingkosten bzw. bei den Discountern Werbekostenzuschuss, ohne den nichts seinen Weg ins Regal findet. Dieser Anteil ist jetzt zwar geschätzt, aber der Abfüller wird mit Sicherheit nicht mehr als 60-70 Cent pro Flasche übrig haben, tendenziell eher weniger, um den Inhalt zu produzieren. Wenn man das sieht, kann man sich ungefähr vorstellen, welche Ernteerträge hier gefahren werden müßen und wieviel Arbeitsaufwand pro Hektar und später auch im Keller man sich leisten kann, damit überhaupt noch ein Gewinn pro Flasche im wahrscheinlich niedrigen zweistelligen Centbereich übrigbleibt. Alleine an Hand dieser Betrachtung sollte also klar sein, das man in diesem Preissegment nicht viel mehr als Fruchtsaft mit Alkohol  erwarten darf.
Sprechen wir also über die Weine, die alle bei Lidl gekauft wurden: Mit 2,99 EUR steht eine Flasche Baturrica Tarragona Gran Reserva 2005 auf dem Kassenzettel. Also ein Wein, der nach spanischem Recht mindestens 5 (!) Jahre gelagert haben muss, davon 2 Jahre im Holzfass. Und das für 2,99 EUR. Ein Tempranillo und Cabernet Sauvignon Blend, in der Nase süße, rote Beeren und altes, muffiges Holz. Am Gaumen sauer, bitteres Tannin und irgendwo dazwischen unreife, fast grün wirkende Frucht, Fuselalkohol. Ungenießbar, und definitiv nicht als Tempranillo, oder auch nur als Spanier, zu erkennen.
Zweiter Wein ist der Bordeaux aus unserem Rechenbeispiel für 2,29 EUR. Vertrieben von Vineris in Moers und abgefüllt  von “D-NW 170 002″. Der Wein wurde getestet vom TWQ Qualitätsmanagement, was mir aber auch nicht über mein leichtes Unbehagen weghilft, das der Wein einfach nur Bordeaux 2010 heißt. In der Nase dem Spanier recht ähnlich, süßliche, rote Beeren, stellenweise eine Idee von Würznoten. Am Gaumen dünn,  säuerlich, die Frucht ist sehr zurückhaltend und wirkt ebenfalls unreif, sehr rustikal, kräftiges Tannin, bleibt etwas fies nach. Trinkbar, allerdings ohne jeden Genuß, geht vielleicht und mit viel gutem Willen zum Essen.
Günstigster Wein im Reigen ist der Montepulciano D’Abruzzo 2010 mit 1,99 EUR, der auch ein tolles Qualitätsmanagementssiegel aufweisen kann. Findet in der Nase praktisch nicht statt, eine Idee, aber auch wirklich nur eine Idee von roter Frucht, Würznoten und Alkohol. Am Gaumen jede Menge Säure, kaum Frucht, wenig Tannin. Nicht technisch fehlerhaft, aber praktisch ungenießbar, zeigt keinerlei Montepulciano-Typizität.
Möchte man diese Weine trinken? Ganz ehrlich? Im Preissegment zwischen 2 und 3 Euro, das hier ja überwiegend bedient wird, kaufe ich mir dann doch lieber eine Flasche Cola. Ich weiss nicht, ob es gesünder ist, wahrscheinlich schon, aber leckerer ist es in jedem Fall.

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