Samstag, 5. Januar 2013

Robert Parker


Am Anfang war er einfach ein Jurist, der gerne Wein trank. Doch Schritt für Schritt gelangte Parker mit seinen Weinkritiken zu Weltruhm. Nun tritt er ab und verkauft sein Unternehmen an die Asiaten. Von 
Gucken und schlucken: Weinpapst Robert Parker bei seiner liebsten, weil einträglichsten Verrichtung mit diversem Arbeitsgerät
Foto: picture alliance/DPAGroßer Kritiker, große Merkfähigkeit: Er könne 200.000 Weine aus der Erinnerung beschreiben, sagt Robert Parker über seinen Geschmackssinn
Der Legende nach sind die Briten dafür verantwortlich. Sie bestimmten seit Jahrzehnten, welche Weine die weltweit besten sind. Sie kauften den regionalen Winzern ihre Fässer ab, schifften sie nach London zur Assemblage und regelten die Auktionen zur Verteilung der teuersten Flaschen.
Sie stellten auch die Weinkritiker, die in den großen Zeitungen der Welt über die großen Weine der Welt berichteten. Und diese Weine kamen meistens aus Frankreich, denn Italien oder Deutschland spielte in den Empfehlungen der Weinpäpste nur eine untergeordnete Rolle. Das war ein komplexes System, das Jahrzehnte überdauert hatte. Unangreifbar. Bis Robert Parker kam.
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Gebrochener Hegemon

Vor Parker kam allerdings das "Judgement of Paris", eine legendäre Weinverkostung, die 1976 vom britischen Weinhändler Steven Spurrier durchgeführt wurde. Spurrier stellte führende französische Weine eher unbekannten amerikanischen Abfüllungen gegenüber.
Neun Mitglieder seiner hochkarätigen elfköpfigen Jury kamen aus Frankreich. Und sie gaben in der Blindverkostung allesamt den Weinen aus Kalifornien den Vorzug. Als das Ergebnis aufgedeckt wurde kam es zum Eklat. Man versuchte sich aus dem Ergebnis herauszureden. Doch die Vorherrschaft der Weine aus Burgund und Bordelais war gebrochen.

Ein Jurist, der gerne Wein trank

Robert Parker war zu diesem Zeitpunkt bloß ein einfacher Anwalt in Baltimore. Er arbeitete in einer Bank, verdiente ausreichend Geld und trank gerne Wein. Also las er alles über Wein, auch die Kritiken in der New York Times und anderen führenden Blättern.
Er folgte den Empfehlungen und kam zu dem Ergebnis, dass ihm die bejubelten Weine selten schmeckten. Und er bemerkte auch, dass er mit dieser Meinung nicht alleine dastand. Beflügelt vom Judgement of Paris begann er 1978 seine eigenen Kritiken zu veröffentlichen und sie an Abonnenten zu verschicken. Nur ein kleines Feuer. Aber es sollte schnell größer werden. Und einen Flächenbrand auslösen.

Einsilbiger Verkoster

Parkers Einfluss fußt auf seiner verlässlichen Verkostungsmethode, denn Parker ist ein klar aufgestellter, grandios einsilbiger Verkoster. Wenn man seine Notizen über Jahre verfolgt und die von ihm verkosteten Weine trinkt und selber bewertet, dann weiß man schnell, welche Weine Parker bevorzugt.
Und wie man zu seinen Bewertungen steht. Parker mag saubere, kräftig-fruchtige, fette, alkoholreiche und perfekt strukturierte Weine. Als er zu beurteilen begann, hasste er die oft dünnflüssigen und fehlerhaften Abfüllungen der Bordeauxwinzer. Und die Burgunder dieser Tage waren entweder großartig oder Schrott. Das ist bis heute der Fluch dieser Region.

Klare Feinde

Parker war der erste, der seinen Missmut ausdrückte, der das herrschende Bewertungssystem frontal angriff. Und er hatte klare Feinde: die alten, meist unsauber arbeitenden französischen Winzer, die jede Erneuerung ihrer Infrastruktur vor sich herschoben und Fehltöne als Terroir abtaten.
1984 beendete Robert Parker seine Arbeit bei der Bank und begann seinen Lebensunterhalt als hauptberuflicher Weintester zu bestreiten. Sein Weinbrief "Wine Advocate" wurde inzwischen von ein paar tausend Leuten über Abonnement bezogen, darunter viele Weinhändler, die seinem Urteil folgend Einkäufe tätigten.

Trottelsicheres System

Parker führte auch eine neue Skala ein, er bewertete Weine nach Punkten. Ab 50 Punkte wird zu zählen begonnen, ab 86 Punkten sind Weine überhaupt erst interessant und 100 Punkte kriegen nur jene Abfüllungen, die versprechen, eine Legende zu werden.
Es ist ein einfaches System, trottelsicher und für jeden Einkäufer, Händler oder Konsumenten verständlich. Der Händler orientiert sich nach den Punkten und schreibt sie dem Konsumenten als unbestreitbares Urteil vor.
Der Konsument ist endlich vom Stress der eigenen Einschätzung befreit und kann sich auf Parker berufen. Dem verunsicherten Bürgertum - das Weinkultur zunehmend als Erweiterung des Lebensstandards begreift - wird Halt gegeben. So bahnt sich Parker seinen Weg.

Von Hunden gehetzt

Wie mächtig er ist erfuhr Parker schon in den späten 80er-Jahren, als er zum Verkosten an die Gironde reiste und so mancher prominente Chateaubesitzer nicht bereit war, seine Weine auszuhändigen Einer hetzte sogar seinen Hund auf den Amerikaner.
Doch andere Chateaubesitzer erkannten ihre Chance und kooperierten. Sie änderten ihre Weine, damit Parker sie mochte. Ihr Verbündeter war der Önologe Michel Rolland, der vielen Winzern eine Art Parker-Paket anbot. Er kam in die Güter, sah die Möglichkeiten und erklärte, was in Garten und Keller zu tun sei. Und wie es zu tun sei. Wer Rolland engagierte konnte relativ verlässlich mit hohen Parker-Punkten rechnen. Das warf erste Schatten auf das System.
Dann fiel der Kommunismus. Und China wurde Wirtschaftsmacht. Zuerst waren es die Neureichen und ihre Gastronomie, die in den Schwellenländern nach Parker-Punkten einkauften, später auch die breiter werdende Mittelschicht. Viele Winzer erzählen, sie würden heute keine einzige Flasche unter 90 Punkten nach Russland oder China liefern. Parkers Punkte entscheiden über Wohl und Wehe.

System Parker

Nachdem Parker nicht alles alleine kosten konnte, engagierte er ein Team. Und dieses Team – meistens vielsprachige US-Amerikaner - war es, das Parker auch auf die Nischen der Weinwelt aufmerksam machte, auf die stetig wachsende Anzahl autochthoner Weine, die gerade bei jungen Weintrinkern beliebt sind.
Parkers Nachteil: viele der neuen Winzer mochten mit dem System Parker nichts zu tun haben. So musste Parker sie auf seine Seite holen, plötzlich erhielt auch ein etwas delikater, alkoholarmer und mineralischer Blaufränkischer aus dem Burgenland 96 Parker-Punkte. Und wurde Weltstar.
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Gerüchte über Bestechlichkeit

Das System Parker hat manche Moden der Weinwelt (z.B. Vin Naturel) nicht kommen sehen. Doch nach dem nachträglichen Verkosten wurden die Lücken schnell geschlossen. Mit der Einbeziehung der Nischen ist Parker noch mächtiger geworden.
Diese Macht lässt sich auch durch Gerüchte über die Bestechlichkeit einzelner Mitarbeiter nicht beeindrucken. Das System Parker ist unangreifbar. Es ist trotz Anfeindungen ein fixer Maßstab geworden. Nicht einmal Parkers größte Feinde wollen in die Welt vor Parker zurück. Jetzt, wo er auch den schrägen Weinen ausreichend Punkte gibt.

Asiaten streben nach der Macht

Und Robert Parker, inzwischen 65 Jahre alt, schnürt den Ranzen für seinen Ruhestand. Er verkauft einen wesentlichen Teil seiner Firma an eine Investorengruppe aus Singapur. Zusätzlich übergibt er auch die Chefredaktion an Lisa Perotti-Brown, die in Singapur lebt.
Parker ist von nun an ein größtenteils asiatischer Weinführer, der amerikanische Mitarbeiter beschäftigt, die ihre Zeilen im Wine Advocate zukünftig auch mit Werbeeinschaltungen teilen müssen. Die Zeiten zur Schau gestellter Autarkie sind vorbei.
Doch den Asiaten geht es nicht nur um die Monetarisierung ihres Investments, sie streben auch nach Macht. Denn gerade der Besitz des weltweit mächtigsten Weinführers macht die Investorengruppe zum Big Player in der aufstrebenden Weinnation China, die bald schon den steigenden asiatischen Weinkonsum nahezu im Alleingang befriedigen will. Auch diese Weine brauchen Parker Punkte. Und werden sie bekommen.

Willkommen in der Markenwelt

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Denn Parker mutiert von einer personenbezogenen Publikation zur Marke. Unter dem Namen Parker werden auch weiterhin die weltweit wesentlichsten, weil geldwichtigen Bewertungen veröffentlicht.
Niemand zu sehen, der dieses Monopol angreifen kann, denn Parker war der einzige Tester, der gleich begriffen hat, dass man sich nicht nur durch drei prominenten Regionen und das eigenen Land trinken muss; Parker wollte immer die ganze Weinwelt bewerten, beeinflussen und führen.
Jetzt bekommt er auch den Osten und Asien. Das wird ihm zwar noch öfter die Verdächtigung eintragen, ein nivellierender Imperialist zu sein, doch mit dem Weingeschmack lässt sich prima spielen, er ist Teil der Populärkultur geworden.

Jetzt kommen die Memoiren

So wird Vielfalt zum Teil des Geschäfts. Gestern war das Barriquefass noch in Mode, heute ist es ein Beweis für Einfalt. Doch schon morgen kann alles anders sein. Und die Moden - die den Weinbau erst seit zwanzig Jahren beherrschen - diktiert Parker.
Ob das alles dann auch weiter so unabhängig zugehen wird? Man wäre ein Narr, wenn man Parkers Beteuerung Glauben schenken würde, er bliebe noch Jahre für die Firma tätig.
Der Teilverkauf ist eine Übergangslösung. Und Parker will von nun an nur mehr das Bordelais und die Anbaugebiete an der Rhone bereisen. Dort, wo man ihn inzwischen mit offenen Armen empfängt. Die restliche Zeit wird er das tun, was jeder Weltherrscher im Ruhestand tut. Er schreibt seine Memoiren.
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